Legal Design Thinking – Kanzleien lernen von Agenturen

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Legal Design Thinking – Kanzleien lernen von Agenturen

Legal Design Thinking

Quelle: istock/AndreyPopov

Gute Ideen generieren

Anders als  Legal Tech hat sich Legal Design unter Juristen noch nicht etabliert. Der letztere Begriff  kommt aus der kreativen Welt der Agenturen und meint, dass man gute Ideen nicht dem Zufall überlassen sollte. Legal Design Thinking ist die Adaption des Konzepts auf die Rechtsberatungsbranche. Kreativität ist steuerbar und zwar mit viel Freude für alle Beteiligten, denn schlussendlich ist Digitalisierung Veränderung und diese sollte auch Freude machen. Das erhöht die Akzeptanz und Offenheit für neue Herausforderungen. Aber Juristen stehen dem Design Thinking nicht selten kritisch gegenüber. Ihr traditioneller Denkprozess steht ihnen im Weg. Doch: «Wo alle dasselbe denken, da wird nicht viel gedacht» – das wusste schon der amerikanische Psychologe und Autor Eric Lippmann.


In welche Richtung wir denken, bestimmt oft der Markt mit seinen Anforderungen. Jede Kanzlei muss sich heute genau überlegen, wie sie die eigene Leistung günstiger anbieten und gegebenenfalls automatisieren kann. Im Moment sind Mandanten vom Thema Digitalisierung getrieben und Kanzleien dazu gezwungen, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen.

Business Development in Kanzleien

Beim Design Thinking geht man davon aus, dass die Orientierung am Status Quo nicht genug ist. Diese Technik konzentriert sich auf die Bedürfnisse aller Beteiligten, hat aber besonders jene der in unserem Fall «anderen Seite» (sprich des Mandanten) im Blick. Damit stellen sich zwei wesentliche Fragen: 1. Wie kommt man auf neue Ideen für den Mandanten? 2. Wie löst man sich vom bisher Üblichen? Die Beantwortung ist Bestandteil des Business Development von Kanzleien. Am besten, man beginnt mit der Entwicklung von Lösungen für Mandanten bevor diese den Bedarf überhaupt formuliert haben. Nicht wenige sehr renommierte Kanzleien und große interdisziplinäre Gesellschaften nutzen Legal Tech-Lösungsansätze, um einen Service zu kreieren, der schlussendlich der Ansprache des Klienten dienen soll. Ein Beispiel sind Tools zum Thema Scheinselbständigkeit und/oder Risikoanalyse – Angebote, die sich bei näherer Betrachtung als Teil einer Marketingstrategie entpuppen.

Aber wie geht denn nun Legal Design Thinking?


«Nehmen Sie sich ein weisses Blatt. Setzen Sie sich vor einen Kollegen und zeichnen Sie für diesen Kollegen ein Sofa.» Mit solchen oder ähnlichen Aufgaben ist man beim Design Thinking konfrontiert. Überträgt man den Prozess auf die Rechtsbranche, bedeutet das im Detail: Im ersten Schritt muss das Problem der Zielgruppe verstanden werden. Welche Auswirkungen hat es für Mandanten (Bsp. Welche Gefahren birgt eine Gesetzesänderung oder bringen Boykottaufrufe in den USA mit sich)? Im zweiten Schritt geht es darum zu beobachten, zu recherchieren und eventuell den Mandanten zu befragen. Der dritte Schritt fordert dazu auf, Einsichten festzuhalten (zum Beispiel, dass Unternehmensmandanten verhindern wollen, Scheinselbständige zu beschäftigen). Schritt Nummer vier widmet sich der Ideenfindung. Der gesamte Prozess kann sehr bunt gestaltet werden und führt Anwälte in die Welt der Kreativen mit ihren spezifischen Techniken wie der Disney-Methode, der De Bono-Methode, dem Mindmapping und vielen mehr. All diese Varianten lohnen sich, wenn man dazu bereit ist, sich auf sie einzulassen! Danach wird ein Prototyp entwickelt, also eine Lösung, die dem Mandanten so angeboten werden könnte. Nach dieser Phase kommt der letzte Schritt (Nummer fünf): nämlich der Test, also die direkte Konfrontation mit dem Mandanten.

Fazit und Empfehlung


Legal Design Thinking macht Freude und bietet hervorragende Möglichkeiten für Kanzleien. Völlig ungeübte oder neuem gegenüber skeptische Anwälte sollten vor der Anwendung von Kreativ-Techniken besonders gebrieft und eingestimmt werden. Ein widerspenstiger Bedenkenträger kann eine ganze Session sprengen. Auf jeden Fall sollten nur Anwälte mit ins Boot genommen werden, die das auch wirklich wollen. Erzwingen kann man kreative Lösungen nicht – planen und steuern schon.