eDiscovery: KI ist nicht die Lösung aller Probleme

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eDiscovery: KI ist nicht die Lösung aller Probleme

eDiscovery

Quelle: iStock

Was in US-Zivilprozessen im Rahmen der «pre-trial discovery» begann, ist heute auch hierzulande in behördlichen und internen Untersuchungen die Regel: Die Aufbereitung und Untersuchung grosser Mengen an E-Mails und weiteren Dokumenten. Doch wie mit der Datenflut umgehen? 

 

eDiscovery

Die Disziplin nennt sich «eDiscovery» – das Identifizieren, Einsammeln, Aufbereiten und Bereitstellen von elektronischen Unterlagen für Rechtsverfahren. Es gibt sie schon seit über 15 Jahren und basiert auf dem Einsatz spezialisierter IT-Lösungen. Diese sind darauf ausgelegt, grosse Mengen an E-Mails und Dokumenten («loose files») zu durchsuchen, zu sichten und aufzubereiten. Die bekannteste Lösung ist «Relativity», doch die Konkurrenz ist gross. In der Praxis werden solche «Review-Systeme» meist fallweise bei spezialisierten Providern oder den «Big Four» gebucht. Längst sind auch neue Datenquellen hinzugekommen wie z.B. Chats, Messaging-Dienste oder Videokonferenzen. Zugleich hat die Datenmenge massiv zugenommen.

Früher gab es nur einen Weg damit zurecht zu kommen: Zuerst wurden die Dokumente nach einzelnen Stichworten gefiltert. Was in diesem Suchnetz hängen blieb wurde dann manuell Dokument für Dokument gesichtet. Oft erfolgten diese «Reviews» zweistufig, d.h. in einem ersten Schritt wurde die Spreu vom Weizen getrennt, in einem zweiten beurteilten erfahrenere Reviewer potenziell relevante Dokumente genauer und klassifizierten sie. Selbst wenn ein Satz von z.B. 250'000 E-Mails (eine völlig normale Menge bei mehreren Postfächern für einen Zeitrahmen von über einem Jahr) mit geeigneten Suchbegriffen typischerweise auf fünf bis zehn Prozent der Menge eingedampft werden kann, bleiben noch immer bis zu 25'000 Dokumente zur Sichtung übrig. Entsprechend hoch sind die Kosten für einen Review, selbst wenn hierfür längst keine Anwaltshonorare mehr bezahlt werden müssen. Je nach Teamgrösse dauert der Review zwei bis drei Wochen.

Einsatz von KI 

Inzwischen versprechen viele Anbieter, diese Kosten und Probleme liessen sich mit dem Einsatz von «künstlicher Intelligenz» grösstenteils vermeiden. Wer glaubt, damit kann das Suchen nach Beweismitteln dem Computer überlassen werden, wird aber enttäuscht. Was der Computer kann, ist das Erkennen von Mustern, sofern er entsprechend trainiert worden ist. Die Inhalte der Dokumente versteht er nicht. Werden ihm also für einen Fall relevante E-Mails gezeigt, kann er – vereinfacht gesagt – nach weiteren ähnlichen E-Mails (gemessen an Begriffen und Synonymen, Textstruktur und Metadaten) suchen oder sie für den Review priorisieren. Beurteilen muss sie der Mensch.

KI kann somit in bestimmten Konstellationen Zeit und Geld sparen, ist in den heutigen Systemen aber noch ein relativ «grobes» Hilfsmittel.

Alternative Strategien

Andere Strategien können zielführender sein, etwa wenn es in einer Untersuchung darum geht, einem Verdacht nachzugehen. Statt über Wochen einen «linearen» Review mit einem Team durchzuführen, kommen in einem ersten Schritt einzelne Experten zum Einsatz, die kreuz und quer durch die Daten stöbern und mit menschlichem Spürsinn und technischen Such- und Visualisierungshilfen nach Anhaltspunkten suchen. Solche nicht-linearen, explorativen Reviews können mit der nötigen Erfahrung viel schneller und damit günstiger zu Ansatzpunkten für weitere Ermittlungen führen. In den letzten Jahren wird auch wieder vermehrt auf eine strategische Selektion der Datenquellen geachtet – nach dem Motto Qualität vor Quantität.

Die Technik allein ist somit nicht die Lösung. Wichtiger ist, dass derjenige, der eDiscovery einsetzt, die Möglichkeiten und Grenzen der Tools und Strategien kennt. Nur so können er oder sie die beste Lösung wählen.

 

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