Mikroaggressionen

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Mikroaggressionen

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Mit einer steigenden Aufmerksamkeit und Sensibilität für verschiedene soziale Identitäten und marginalisierte Personengruppen, aber auch Sexismus in unserer Gesellschaft, verändern sich die Grundvoraussetzungen sowie Rahmenbedingungen für klassische Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Offenkundige und systematische Anfeindungen, die rechtliche Folgen haben können, weichen vermehrt einer neuen verdeckten und subtileren Form von Diskriminierung – den Mikroaggressionen.

Was sind Mikroaggressionen?


Es ist wichtig zu verstehen, dass Mikroaggression eine Form unbewusster Voreingenommenheit ist, sodass die Personen oft erst dann merken, dass sie etwas Verletzendes getan haben, wenn jemand es anspricht. Sie geschehen meist auf subtile Weise und sind schwer zu bekämpfen. Sie können verschiedene Formen annehmen, einschliesslich verbaler, nonverbaler und umweltbedingter Hinweise, die negative Botschaften über einen Menschen auf der Grundlage seiner wahrgenommenen Identität vermitteln. Mikroaggressionen können mit der Rasse, dem Geschlecht, der Sexualität, dem Status, dem sozioökonomischen Hintergrund, der psychischen Gesundheit oder einem anderen Aspekt unserer Identität zusammenhängen. Stereotypisierung kann ebenso zu einer Mikroaggression führen. 

Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Frau, die hart gearbeitet hat, um im Unternehmen dorthin zu gelangen, wo Sie nun beruflich stehen. Nächste Woche ist ein Meeting mit den Vorgesetzten angesetzt. Sie freuen sich darauf, weil Sie in dem Rahmen die Ergebnisse einer Analyse mitteilen wollen, mit der Sie in den letzten Wochen intensiv beschäftigt waren. Doch in der grossen Runde adressiert der CEO Sie als Assistentin und fordert Sie auf, sich Notizen zu machen. Sein Verhalten untergräbt Ihre beruflichen Fähigkeiten. Auch wenn er das mit seiner Fehlannahme gar nicht beabsichtigt hat. Diese scheinbar harmlosen Handlungen und Kommentare sind ein Beispiel für eine Mikroaggression.

  • Mikroinsults: Das sind indirekte oder subtile Beleidigungen, die in der Regel unbewusst geschehen. Ein Beispiel: «Du sprichst aber gut Deutsch», gerichtet an eine Person mit dunkler Hautfarbe, was impliziert, dass die Erwartung geringer war aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit der Person. 
  • Mikroinvalidations: Sie dienen dazu, die Erfahrungen oder Gefühle einer Person zu entwerten oder zu minimieren. Ein Beispiel: «Aber wo kommst du wirklich her?», zu einer Person, die in der Schweiz geboren ist, aber nicht gebürtige Schweizer als Eltern hat. Es stellt die Identität und Zugehörigkeit einer Person zu ihrem Heimatland infrage. 
  • Mikroassaults stehen eine Stufe darüber. Hierbei handelt es sich um direkte und bewusste Angriffe, die darauf abzielen, zu verletzen oder zu diskriminieren. Ein Beispiel könnte eine rassistische Beleidigung sein. 

Die Auswirkungen auf Einzelpersonen und aufs Team

Auch wenn eine einzelne Mikroaggression keine grosse Sache zu sein scheint, kann die Summe, die im Laufe der Zeit zum Berg an Problemen akkumuliert, sich schädlich auf die betroffene Person auswirken, sowohl persönlich als auch beruflich. Es mag sogar zu einer Verringerung des Selbstwerts führen und Gefühle der Isolation und Ausgrenzung mit sich bringen. Diese negativen Erfahrungen können zu erhöhtem Stress und allenfalls zu einem Burnout führen.

Darüber hinaus mag die Effektivität von Teams vermindert und dadurch die Zusammenarbeit, das Vertrauen und der Respekt beeinträchtigt sein. Am Arbeitsplatz macht es eine Kultur der Angst und des Misstrauens für Mitarbeitende schwierig, über ihre Erfahrungen zu sprechen und Unterstützung zu suchen. Dies führt letztendlich zu einer Verschlechterung der Leistung und kann sich negativ auf das Unternehmen auswirken.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Arbeitgebende in der Schweiz wie in Deutschland sind gesetzlich verpflichtet, ihre Mitarbeitenden an ihrem Arbeitsplatz vor Diskriminierungen durch andere Mitarbeitende bzw. Dritte zu schützen.

Die Spannbreite ist tatsächlich gross: Hierunter fallen zum Beispiel sexualisierte Mikroaggressionen, also subtile verbale oder nonverbale Beleidigungen mit sexistischem oder sexuellem Hintergrund. Genauso unzulässig sind rassistische Diskriminierungen, welche eine Person in Bezug auf Herkunft, Rasse, Sprache oder Religion herabsetzt, verletzt oder benachteiligt. 

Viel mehr noch als rechtliche Pflichten sollte jedoch eine wertebasierte Unternehmenskultur für die Arbeitgebenden nicht nur Lippenbekenntnis sein. Sie sollten ihre CMS (Compliance Management Systeme) auch auf die Einhaltung der Unternehmenswerte ausrichten. Mikroagressionen können Compliance-Vorfälle darstellen, die als Compliance-Risiken einzustufen sind. Und welchen Reputationsschaden ein Unternehmen zusätzlich riskiert, das solch eine Kultur duldet, liegt auf der Hand. 

Mikroaggressionen begegnen

Der Umgang mit Mikroaggressionen ist für ein respektvolles und integratives Umfeld von entscheidender Bedeutung. Je nachdem, ob man die Mikroaggression übermittelt hat oder der Empfänger der Mikroaggression ist, kann man Folgendes tun:
Wer eine Mikroaggression geäussert hat, sollte sich aufrichtig entschuldigen. Achten Sie darauf, zuzuhören und sich einzufühlen, wenn Sie auf eine Mikroaggression aufmerksam gemacht werden, aber machen Sie sich die Situation nicht zu eigen und werden Sie nicht defensiv oder abweisend. Nutzen Sie stattdessen die Gelegenheit, aus der Erfahrung zu lernen und Ihr Verhalten zu ändern. Informieren Sie sich schliesslich und schärfen Sie das Bewusstsein für Mikroaggressionen und ihre Auswirkungen.

Opfer einer Mikroaggression sollten diese ansprechen. Erklären Sie, warum der Kommentar oder das Verhalten verletzend war, und schlagen Sie eine angemessenere Art der Kommunikation vor. 

Grundsätzlich geht es darum

  • Bewusstsein schaffen
  • Zuhören und lernen
  • Mikroagressionen ansprechen (auch als Beobachter oder Zuhörer)
  • Bildung (aktiv nach Wissen und Ressourcen suchen)
  • Die Arbeitsorganisation (inklusive CMS, Schulungen, Workshops etc.) entsprechend ausrichten

Die Initiative zu einem Arbeitsumfeld, das DEI-gerecht ist


Prophet, ein globales Markenberatungsunternehmen, das sich auf Marke und Erlebnis konzentriert, hat mehrere Initiativen zur Bekämpfung von Mikroaggressionen und zur Förderung von Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion am Arbeitsplatz umgesetzt. Eine der wichtigsten ist das Diversity, Equity, and Inclusion (DEI)-Programm, das Schulungen, Workshops und andere Lernmöglichkeiten umfasst, um Mitarbeitende über Themen wie unbewusste Voreingenommenheit, kulturelle Sensibilität und die Auswirkungen von Mikroaggressionen aufzuklären. Diese Sitzungen sollen das Bewusstsein für DEI-Probleme schärfen und die Mitarbeitenden mit den Werkzeugen und Strategien ausstatten, um ein integrativeres Arbeitsumfeld zu schaffen.

Zusätzlich gibt es einen eigenen Rat, der sich aus Personen der gesamten Organisation zusammensetzt, die sich der Förderung von DEI und der Beratung der Führungsspitze in diesen Fragen widmen. Das Gremium hat einen Aktionsplan entwickelt, der spezifische Ziele und Strategien zur Förderung von Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion auf allen Ebenen der Organisation darlegt. Der Fortschritt dieser Massnahmen wird durch Umfragen und andere Feedback-Mechanismen beobachtet, um sicherzustellen, dass die angestrebten Ziele auch erreicht werden.