Legal Engineer Chiara Simonova über automatisierte Verträge

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Legal Engineer Chiara Simonova über automatisierte Verträge

Chiara Simonova

Legito (aus dem Lateinischen legit, auf Deutsch Gesetz) ist eine Plattform zum Automatisieren der Vertragserstellung und wurde 2014 gegründet. Die Software hat über 70‘000 Nutzer in mehr als 30 Ländern. Die slm-Redaktion hat mit Frau Chiara Simonova, Legal Engineer, über das aufstrebende Unternehmen gesprochen.

Wie kam damals die Idee zur Gründung zustande?
Ondrej Materna, der CEO und Gründer von Legito, war mehr als sechs Jahre in der Advokatur tätig. Da er dort immer wieder die gleichen Änderungen und Anpassungen bei Verträgen vornehmen musste, suchte er nach einer Möglichkeit, diese repetitive Arbeit zu automatisieren.

Welches sind Ihre Hauptkunden?
Unsere Hauptklienten sind Kanzleien und interne Rechtsdienste von Unternehmen, Versicherungen oder Banken. Ferner nutzen zudem Immobilienfirmen oder HR-Abteilungen unser Produkt.   

Wie nehmen Sie Ihre Corporate Social Responsibility wahr?
Wir bieten für Nichtprofitorganisationen kostenlose Lizenzen an und unterstützen Startups beim Aufbau. Bspw. haben wir bei der diesjährigen Swiss Legal Tech Konferenz an Workshops unser Know-how weitergegeben.

Sie arbeiten mit mehr als 200 Rechtsanwälten zusammen, wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit genau?
Legito ist eine reine Softwarefirma und erstellt selber keine Dokumente. Die Klienten entwerfen ihre eigenen Verträge. Wir bieten nur die technische Unterstützung dafür. Für die Qualitätskontrolle sind die jeweiligen Anwälte, die die Dokumente erstellt haben, zuständig. 
Es gibt aber auch Kanzleien, die ihre mittels unserer Software angefertigten Verträge an kleinere Kanzleien verkaufen. Sie stellen ihre Dokumente in der öffentlichen Sammlung von Legito zur Verfügung, von wo diese dann von anderen Kanzleien heruntergeladen werden können. Die meisten verwenden die Software aber ausschliesslich für den internen Gebrauch.   

Wie etabliert ist Legito in der Schweiz?
Im Moment ist der Markt noch nicht so gross, unser Ziel ist es aber, hier noch zu wachsen.  

Unterscheiden sich die Bedürfnisse der Kunden aus der Schweiz, Österreich und Deutschland?
Unterschiedliche Bedürfnisse konnten wir keine feststellen. Obwohl die Länder unterschiedliches Recht haben, werden die gleichen Arten von Dokumenten nachgefragt. Überall werden Kauf-, Gesellschafts- oder Arbeitsverträge abgeschlossen. 
Unterschiede gibt es jedoch zwischen den Unternehmen. Dabei kommt es vor allem auf den Chef an, wie aufgeschlossen er Innovationen gegenüber ist.  

Wie waren die ersten Reaktionen auf Ihre Software? 
Die Menschen sind allgemein eher zurückhaltend gegenüber Neuerungen, was man auch hier gemerkt hat. Da das Programm aber sehr leicht zu verstehen ist und dessen Vorteile auf der Hand liegen, war es nicht so schwer, die Leute davon zu überzeugen. Sie haben sehr schnell gemerkt, wie viel Zeit durch die Dokumentenautomatisierung gewonnen werden kann.  

Sollten Juristen programmieren können? 
Nein. Aber es ist von Vorteil, wenn Juristen ein gewisses Verständnis für die Systematik und die Logik des Programms haben. Wenn sie verstehen und erkennen, welche Prozesse repetitiv sind und automatisiert werden können. Wichtig ist, die Basics in der Computeranwendung und die Logik hinter den Verträgen zu verstehen. Sich dafür extra technische Skills anzueignen oder gar programmieren zu lernen, ist nicht nötig.   

Sehen Sie auch Nachteile bei der fortschreitenden Digitalisierung der Rechtsbranche?
Nachteile wird es vor allem für diejenigen geben, die die Augen vor den Veränderungen verschliessen: In Zukunft wird es Standard sein, solche Programme zu nutzen. Wer da nicht mitgeht, den überholt die Konkurrenz. Heutzutage würde ja auch kein Anwalt mehr die Schreibmaschine anstatt eines Computers benutzen.  

Legito entwickelt sich stetig weiter. Aktuell ist die Version 4.0. Inwiefern unterscheidet sie sich von der Vorgängerversion 3.0?
Schwerpunkt bei der Version 4.0 ist die Verwaltung und das Teilen von Dokumenten und der Prozess der Erstellung der Dokumente. Neu gibt es eine Guided-Tour, die durch die Verwaltung der Dokumente führt und Tracking-Changes. Zudem gibt es alle paar Wochen ein neues Update.  

Wird durch Software wie Legito der Anwalt nicht obsolet? 
Bei einfachen Problemen ist es durchaus denkbar, dass es zu deren Lösung bald keinen Anwalt mehr braucht. Aber bei aller Automatisierung: Tauchen neue komplexe Fragestellungen auf, ist menschliche Intelligenz gefragt. Die Position des Decision-makers, der die vorhandenen Vertragsbausteine zusammensetzen muss, wird es weiterhin brauchen. Ausserdem verstehen die Kunden die juristische Sprache meist nicht, weshalb immer noch jemand die Verträge anhand der Software richtig zusammenfügen muss. 
Jobs werden durch die Digitalisierung nicht verschwinden: Früher existierten ja auch noch keine Ampeln an den Strassenkreuzungen und der Verkehr wurde von den Verkehrspolizisten geleitet. Heute findet man an jeder grossen Kreuzung Lichtsignale. Die Polizisten sind dadurch aber nicht arbeitslos geworden, sie können sich nun auf andere Aufgaben ihres Berufs konzentrieren. Die Arbeit verschwindet nicht, aber sie verlagert und verändert sich.