Was ist in der juristischen Laufbahn planbar?

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Ausgestattet mit einer soliden Wissensbasis werden wir nach dem Studium in die Arbeitswelt entlassen. Doch schnell finden wir heraus, dass unser Wissen angesichts des unaufhaltsamen Tempos der Transformation unserer Welt eine kurze Halbwertszeit hat. Die Vorbereitung auf diese Tatsache ist nicht Teil der universitären Ausbildung. Auch danach, sei dies bei der Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung oder beim Verfassen einer Dissertation, geht es um Fachkenntnisse und nicht um eine Vorbereitung auf das Bestehen im Beruf. Niemand bringt uns bei, wie wir mit der Veränderung Schritt halten oder, wie wir aus innerer Überzeugung heraus - statt z.B. aufgrund äusserer Erwartungen - den persönlich für uns passenden Weg finden. 

Einstieg ohne Ankommen

Das Anwaltspatent markiert für viele den ersten grossen Meilenstein nach dem Abschluss des Studiums. Der nächste logische Schritt ist die Rückkehr in die Kanzlei, in der man das Anwaltspraktikum bestritten hatte. Doch wer sich trotz netter Kolleginnen und Kollegen sowie erster kleiner Erfolge nicht wohl im Job fühlt, sollte dem Gehör schenken, selbst wenn eine frühe Kündigung einen «Neueinstieg» bei Null bedeutet. Die innere Überzeugung ist ein guter Ratgeber und Wegweiser. 

Der nächste Schritt

Für mich lag der nächste Schritt in einer doppelten Ausbildung bezogen auf den Menschen und zwar im Bereich der Mediation und in Philosophie. Andererseits fand ich den beruflichen Einstieg in die Rechtsabteilung des Eidgenössischen Starkstrominspektorats ESTI. Auch wenn manches im Umfeld Erstaunen und teilweise Unverständnis auslöst, sollte man sich nicht beirren lassen. Gerade das Verbinden verschiedener Disziplinen eröffnet täglich neue Herausforderungen aber auch Erkenntnisse. Mit Menschen komplementär arbeiten zu dürfen, die über eine völlig andere Expertise verfügen und die eine komplett andere Arbeitskultur gewöhnt sind, ist nicht immer einfach. Umso hilfreicher waren für mich die Techniken, die ich in der Mediation und in der angewandten altindischen Philosophie lernte. 

Aus der Zeit des Ankommens in der juristischen Tätigkeit war eines meiner persönlichen Learnings, dass sich Zusatzausbildungen immer lohnen, auch wenn objektiv betrachtet kein direkter Zusammenhang zur juristischen Ausbildung erkennbar ist.

Opportunitäten erkennen und ergreifen

Das Angebot als Direktorin der Law and Economics Foundation St. Gallen und die Mitgründung und Position als Verwaltungsrätin der Hermes Executive Search AG flogen mir nahezu zu. Wiederum zwei neue Felder, in denen ich mich nicht auskannte. Diesmal aber zwei Angebote, die eine nicht-juristische Tätigkeit betrafen. Hierbei liess ich mich von der Frage anregen, was mir Freude macht und wo meine Potenziale liegen. Manche Schritte erfordern mutig einen radikalen Wechsel. 

Mein Rat in solch einer Situation: Weniger Planung kann dazu führen, Opportunitäten freier zu sehen und sich eher zu trauen (oder auch sich zuzutrauen), sie zu ergreifen. 

Fazit

Vielleicht mag der beschriebene Weg eine Inspiration für jüngere Kolleginnen und Kollegen sein, sich gewisse Fragen früher in der Karriere zu stellen, mutiger zu sein, weniger zu planen und sich mit Neugierde und Offenheit auf Unerwartetes einzulassen.