Supervision für Rechtsanwält:innen

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Supervision für Rechtsanwält:innen

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Grundsätzliche Überlegungen

Hach Göttchen: Gendern im Titel, muss das sein? Ist ein «hach Göttchen» überhaupt noch erlaubt? Müssen Rechtsanwältinnen sich um eine korrekte Sprache, Rechtsanwälte sich um religiöse Gefühle kümmern? Man könnte sich die Antwort leicht machen: Natürlich nicht! Wer wollte uns Rechtsgelehrten mit staatlicher Approbation vor den Gerichten am Paragrafen-Schlafittchen packen? Vielleicht schlecht bezahlte Kolleg:innen, oder eher gut bezahlte. Das wirft die Frage auf: Wie werde ich selbst honoriert? Und wäre ein solcher Fall etwas für mich, im Sinn von würde das Thema Spass machen und hat Spass in der anwaltlichen Arbeit überhaupt etwas zu suchen?

Schlafittchen meint übrigens «eine redens- und mundartlich weitverbreitete und offenbar recht alte Bezeichnung» für bestimmte Kleidungsenden. Doch was hat das mit Supervision zu tun? Das verbindende Glied ist die anwaltliche Praxis! Wie der vorsitzende Oberrichter meiner AP-Kommission vor Jahrzehnten dozierte, bestehe sie zu lediglich einem Drittel aus der Kenntnis des Rechts, wohingegen der erfolgreiche Anwalt vor Gericht auch ohne jene mutig behaupten müsse, um zu überzeugen. (Das hat sich bewährt.)

Zudem brauche es auch noch social skills. Neben Empathie und Kommunikationsgaben gehts bei der Sozialkompetenz in der Praxis nicht selten auch darum, unrealistische Erwartungen und überschiessende Emotionalität der eigenen Klientel im Beratungsgespräch auszunüchtern. Was Uni und Co. uns sodann nicht gelehrt haben: Auch Selbstfürsorge gehört dazu… Ein wichtiger Aspekt, der dabei häufig untergeht ist die Erkenntnis, warum ich den Beruf betreibe und tue, was ich tue. Die Beweggründe können Ansehen sein, Geld, Einfluss und Macht. Manche wollen die Welt retten oder zumindest verbessern. Im Kern sollte man herausfinden, was so interessant daran ist, sich täglich um das Recht zu drehen, und um fremde Händel.

Supervision als professionelles Verfahren zur Beratung und Reflexion

Supervision als professionell geleitetes Verfahren zur Beratung und Reflexion von Anliegen und Fragen im beruflichen Kontext von Einzelnen und Gruppen gehört etwa in der Sozialarbeit, in Pflegeeinrichtungen, im Gesundheitswesen (Spitälern, Praxen) sowie in Schulen längst zum Standard. Bedarf daran besteht nicht nur für Führungskräfte in der Arbeitswelt mit Bezug zu Teamfähigkeit, Kommunikations- und Problemlösungs-Kompetenz sowie auch im Hinblick auf die eigene Belastbarkeit (Resilienz).

Bei Anwält:innen ist der Stresspegel in Sachen Berufsgestaltung hoch. Neben der Burnout-Prävention kann bereits schon die Lebensfreude im Job nach Unterstützung bedürfen. Eine harmonische Partnerschaft, Kinder und Familie, ein gutes Honorar ermöglichen und entschädigen vieles, aber reichen nicht immer aus, um mit dem nötigen Elan in den Montagmorgen im Büro zu starten. Und selbst wenn die Arbeit Spass macht, ist oft die Suche über (fachlich-sachliche) Weiterbildungen und Spezialisierungen hinaus nach mehr Identitäts- und Sinnstiftung in der anwaltlichen Betätigung präsent.

In der Supervision stehen Fragen an, wie: Welche Rechtsgebiete passen zu mir und biete ich künftig an? Angestellt oder selbstständig? Allein oder in Praxisgemeinschaft? Zu welchem Honorar? Spezialisiere ich mich (Fach-RA), erlerne ich Mediation dazu? Was ist mit Schiedsrichten? Könnte Collaborative-Law etwas für mich sein? Mag ich Gerichtsprozesse führen?

Nicht selten leiden an sich erfolgreiche Anwältinnen und gut etablierte Anwälte unter den in ihrer Kanzlei herrschenden Umständen (Menschen, Einrichtungen, Kosten) oder es gelingt ihnen nicht gut genug, sich ihrer Klientel souverän und effektiv so anzudienen, dass von dieser neben dem Honorar auch eine erwünschte Wertschätzung für die geleistete Arbeit resultiert. Das «Unter-einen-Hut-bringen» von Familie, Job, Hobbies usw. ist ein weiterer Klassiker unter den Themen in der Supervision.

Einzel- und Gruppensupervision

Während die Einzelsupervision dabei vertiefter auf persönliche Fragen eingehen kann, bietet Gruppensupervision als Vorteil den offenen Austausch im geschützten Rahmen auch mit gleichgesinnten Kolleg:innen. Professionelle Supervision eröffnet mit systemischen Fragen Denk- und Handlungsspielräume, was die angepasste Berufsgestaltung inklusive Sinngebung ermöglicht. Sie fördert damit gar den Spass an der Arbeit und unterstützt die Berufsarbeit von Profis auch in besonders schwierigen Einzelfällen wirksam, ohne gleich in unzählige Sessions auszuarten.