Rechtsmarkt 2026 – Rechtsschutz muss sich neu erfinden

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Rechtsmarkt 2026 – Rechtsschutz muss sich neu erfinden

Quelle: iStock

Als Kostenversicherer ist man im New Legal-Market verloren

Die Zeiten von Anwalts Liebling sind für Rechtsschutz in Deutschland als reiner Kostenversicherer lange vorbei, da Privat- und Firmenkunden heute etwas völlig anderes erwarten – einen digitalaffinen Versicherer als professionellen und emphatischen Rechtsproblemlöser. Niemand ist auf der täglichen Jagd nach seinem Recht, sondern nach Jemanden, der konkrete Rechtsprobleme erfolgreich und möglichst schnell löst. Dies auch immer mehr digital und ohne Kanzleibesuche, womit sich die neue Customer-Convenience in den Prozessen und Rechts-Services abbilden muss.

Mit der Customer Centricity tut sich die Rechtsschutz-Branche aber noch schwer. Es geht heute im Rechtsmarkt um den Zugang zu den eigenen Kunden und Kundinnen, die den Versicherern von den LegalTech-Kanzleien und LegalTech-Plattformen immer mehr streitig gemacht werden, insbesondere über das Internet. Sehr viele Geschäftsmodelle der LegalTechs basieren auf dem Vorhandensein einer Rechtsschutzpolice, teilweise gibt es schon Ansätze als LegalTech selbst auch Rechtsschutzlösungen für mögliche Folgerechtsstreitigkeiten zu vermittelt.

Die deutschen Rechtschutzversicherer sind die Platzhirsche mit bald 5 Mrd. Euro Beitragseinnahmen und über 55 Mio. versicherten Privat- und Firmenrisiken  im Rechtsmarkt, tauchen aber bisher in den Transformations- und Liberalisierungsdiskussionen zum digitalen Rechtsmarkt und der @-Justice 2026  nur gelegentlich auf. Als Beteiligte des digitalen Transformationsprozesses für Justiz und Anwaltschaft werden sie als Kostenversicherer kaum wahrgenommen bzw. von der Anwaltschaft gerne auf diese möglichst im Hintergrund stattfindende passive Zahlungsfunktion reduziert.

Liberalisierung und Rechtsservice-Kultur

Anders als in der Schweiz, in der sich die  juristischen „Rechtsdienste“ der Versicherer um die Rechtsfälle der Versicherten kümmern, ist das in Deutschland nach § 4 RDG (noch) untersagt. Dass sich auch die deutschen Versicherten die Rechtsvertretung durch ihre Versicherer sogar bis vor Gericht vorstellen können, belegen mehrere Studien, die aber beim Gesetzgeber bisher ungehört blieben.

Aber auch ohne diese 60 Jahre alte «Lex Rechtsschutz» kann die Branche mit ihren Syndikusanwälten und Anwältinnen deutlich mehr und mit den LegalTechs auch deutlich besseren Rechtsservice für die Versicherten zukünftig bieten. Auch für Rechtsbereiche, die heute als nichtversicherbar gelten oder reinen Vorsorgecharakter haben. Der BGH hat die Zulassung von Syndikusanwälten im Rechtsschutz-Leistungsservice weiter liberalisiert, so wie es auch der heutigen Kundenerwartung sowie der Vertriebspartner entspricht. Nun gilt es, diese neue Freiheit und Rechtsservice-Welt  an die Versicherten smart zu kommunizieren, mit neuen Produkten und digitalen Features erlebbar zu machen, wozu dann auch heute schon Rechtsservice-Marken wie Jurway (Roland), JurCall (NRV) oder auch MEINRECHT (ÖRAG) dienen.

Für den deutschen Markt wird es daher nicht nur um die «Eigenregulierung» in kleinen Standardfällen und auch nur aussergerichtlichen Vertretung in der nächsten Liberalisierungsrunde des RDGs gehen, sondern auch um die Vernetzung und Steuerung von neuen Rechtsproblemlösungskompetenzen für ihre unterschiedlichen Kundengruppen. Dazu bedarf es eines Changes in den Geschäftsmodellen, der Rechtsschutz-Spartenkultur, der Mitarbeiter-Skills und damit dem endgültigen Abschied vom Kostenversicherer, auch wenn das VAG/VVG dies so heute noch definieren.

Rechtsmarkt mit deutlichen Wachstumspotentialen

Wer von ausgeschöpften Märkten spricht, hat Rechtsschutz und die Verbraucher und Verbraucherinnen nicht verstanden. Rechtsschutz stagniert seit Jahren bei einer Haushaltsabsicherungsquote von nur 43% und auch 3,3 Mio. Unternehmen warten noch vielfach auf eine qualifizierte Rechtsschutz-Ansprache und Absicherung – mit smarten Legal-Services.

Das Learning von den LegalTechs ist, das Recht smart und digital zu den Verbrauchern zu bringen, sie auf ihre Rechte und auch Rechtsrisiken aktiv hinzuweisen und schnelle Lösungen anzubieten. Den auch vorsorglichen Hilfe- und Rechtsservicegedanken mit Kostenschutz zu verbinden, ist kein neuer Ansatz für Rechtsschutz, der schon lange als Rechts-Assistance beschrieben wird, sich aber kaum in den Geschäftsfeld- und Produktstrategien der Versicherer findet. Let’s do it now!