Die digitale Transformation in der Rechtsberatung

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Die digitale Transformation in der Rechtsberatung

Die digitale Transformation der Rechtsberatung

Quelle: istock/D3Damon

Bei Legal Tech (von Legal Technology) handelt es sich um Software, die unmittelbare Auswirkungen auf die juristische Leistungserbringung hat, da sie Fähigkeiten aufweist und Dinge bewerkstelligen kann, die bisher von Menschen ausgeübt wurden. Dass dies Juristen Sorgen bereitet, ist nachvollziehbar. Um die Debatte darum angstfrei führen zu können, sollte man zunächst einen Blick auf den Kern anwaltlicher Arbeit werfen. Dazu gehören die Aufnahme, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen an Dritte (Mandanten). Die Verarbeitung macht jenen Teil aus, welcher Juristen auszeichnet, weil sie auf der Grundlage ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung in der Lage sind, Informationen in Zusammenhang mit einem Regelungs- und Normengeflecht zu bringen und an den Mandanten als Handlungsempfehlung zurückzugeben (Mehrwert für den Mandanten!).

Rechtsrat hat nach dem bisherigen Verständnis von Juristen mehr mit Kunst als mit blossem Handwerk zu tun. Er gilt als massgefertigtes Gesamtwerk, welches sich einer Standardisierung entzieht, da er für jeden Fall individuell kreiert wird. Ausgehend von den USA und England, doch mittlerweile auch in Europa verbreitert sich allerdings die Meinung, dass jegliche juristische Dienstleistung gemäss Richard Susskinds These mit der Zeit zur Commodity wird. Die Fachbegriffe heissen Unbundling und Decomposing: Rechtsrat weist demnach verschiedene Bestandteile auf, die durchaus standardisiert werden können und längst nicht nur durch (teure) Anwälte erledigt werden müssen. Denn das, was standardisiert werden kann, kann auch automatisiert werden, was den Einsatz von Software ermöglicht – womit wir bei Legal Tech wären…

Schon seit Jahren greifen Juristen auf Software zurück, die bei der Erstellung häufig vorkommender Dokumente hilft, die sog. Vertrags- oder Dokumentengeneratoren. Sie vereinfacht den Erstellungsprozess von Dokumenten, indem der Benutzer mittels eines Editors aus vorgefertigten und stets auf dem neuesten Stand gehaltenen Textbausteinen wählt. Weiters bietet dieser Editor ein modern organisiertes Know-how-Management. Schliesslich können dank ihm auch Nichtjuristen rechtssicher und den Vorgaben entsprechende Verträge erstellen.

Einen Schritt weiter geht Künstliche Intelligenz (KI) oder Artificial Intelligence (AI), wobei der Begriff nicht klar definiert ist. Im juristischen Umfeld umfasst er Software, die Rechtsdokumente «lesen», «verstehen» und die vertragsrelevanten Daten aus ihnen exzerpieren kann. Das senkt die Kosten einer Beratung und ermöglicht es Anwälten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich Sachverhalte zu bewerten, einen Rat zu erteilen oder eine vernünftige Risikoeinschätzung abzugeben. Zudem ist solche Software in der Lage, in Tausenden von Dokumenten Muster und Abweichungen zu erkennen. Sie kann z.B. den Vertragsbestand eines Unternehmens besser und schneller analysieren und Wesentliches von Unwesentlichem trennen. Die Stärke von Software der Kategorie KI liegt folglich im raschen und zuverlässigen Vergleichen, indem sie Datenpunkte und deren Relation zueinander aufnimmt. Die Grenzen liegen in der Konklusion aus dem Vergleich, denn sie kann in der Regel keine Rückschlüsse ziehen.

Eine weiter entwickelte Softwarekategorie des Bereichs KI ist Predictive Analytics: Software, die aus der Auswertung massenhafter Daten so etwas wie Prognosen zu erstellen vermag. Gerade in den USA wird Predictive Analytics gern in Anspruch genommen, wenn es darum geht auszuwerten, wie einzelne Richter entschieden haben und auf welche Urteile oder Argumente sie ihre Entscheidung stützen. Dabei gilt: Je mehr Daten für die Analyse vorhanden sind, desto stabiler wird die darauf basierende Risikoeinschätzung (eine Forderung von Mandanten an ihre Berater!). Dieses datengetriebene Vorgehen ersetzt jedoch die persönliche Erfahrung eines Anwalts nicht. Vielmehr ergänzt sie sein Wissen und Bauchgefühl. Im Idealfall wird Technologie dafür eingesetzt, die anwaltliche Leistung zu verbessern. 

Die Stärke dieser neuen Softwaretechnologien ist auch in einem neuen Zugang zum Mandanten zu sehen. Juristische Dienstleistungen werden sich anders präsentieren müssen, z.B. auf Plattformen schnell und bequem verfügbar sein. Wenn sich der Rechtsuchende Dokumente künftig selbst mit ein paar Klicks auf dem Smartphone zu einem Festpreis zusammenstellen kann, ändert sich der Stellenwert anwaltlicher Beratung. Anwälte und Rechtsabteilungen tun gut daran, die Schnittstelle zu ihrem Kunden so auszurichten, dass dieser keine Veranlassung hat, woanders hinzugehen. Die User-Experience tritt zumindest gleichwertig neben den Inhalt der Rechtsdienstleistung. 

Fazit 

Digitale Transformation bedeutet auch im Rechtsmarkt, dass sich sowohl der Erstellungsprozess juristischer Dienstleistungen als auch die Schnittstelle zum Mandanten verändern wird. Zwar wird Software nicht den Anwaltsberuf, jedoch einzelne Tätigkeiten ersetzen. Legal Tech bedeutet für Unternehmen, dass Rechtsthemen und Risikomanagament besser, schneller und «objektiver», weil datengeschützt, erledigt werden können. Das verringert die Abhängigkeit von externen Anbietern und reduziert den Legal Spend. Voraussetzung: Man fängt damit an.