Autoren und Verlage im Spannungsfeld von Open Access

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Autoren und Verlage im Spannungsfeld von Open Access

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Quelle: istock

I. Ausgangspunkt

Als im 16. Jahrhundert Gutenberg die Druckerpresse erfunden hatte, ermöglichte diese Neuerung, Wissen in grossem Masse zu verbreiten. Die Legitimation dazu verschafften sich die Verleger-Drucker mittels Privilegien durch die Obrigkeit – zu erwähnen ist, dass in dieser Phase der Autor noch keinerlei Rechtsstellung innehatte. Ein Vergleich zu damals drängt sich auf, da sich gewisse Parallelen zur Problematik des Open Access ergeben: Mit Hilfe der Forderung nach Öffnung der Wissenschaft bzw. des Zugänglichmachens der wissenschaftlichen Forschung verlangt Open Access bzw. verlangen dessen Verfechter das Privileg eines «offenen», jedermann ermöglichten Wissenszugangs. Diese Tendenz wird von seinen Verfechtern mit dem enormen Verbreitungspotenzial sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht begründet, welches das Internet eröffnet. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Verlage das Medium Internet sehr wohl als Ergänzung zu den klassischen Verbreitungs- und Vertriebswegen erkannt und entsprechende Produkte hervorgebracht haben – im Sinne eines Access ja, nicht aber im Sinne von Open. Ein offener Wissenszugang mag bei erster Betrachtung verheissungsvoll erscheinen; die Frage ist nur, zu welchem Preis. Denn: was passiert im Rahmen von Open Access mit den Rechten des Autors/der Autorin, welche Stellung nehmen dabei die Verlage ein und wie steht es mit der Finanzierung eines freien Zugangs?

II. Die Autorin/der Autor als Betroffene

1. Grundsätzliches

Bei einer Betrachtung von Open Access lässt sich die Vermutung, dass die Interessen der Autoren ausser Acht gelassen werden, nicht ganz von der Hand weisen. Ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass die Autorin/der Autor erst mit der Herausbildung des geistigen Eigentums im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert unter dem Einfluss der Aufklärung und des Naturrechts eine spezifische Rechtsstellung erhielt. Droht nun ihre/seine Stellung, die sich seit damals durch das Urheberrecht gefestigt hat, durch Open Access - trotz der damit einhergehenden Creative Commens Regeln (nachfolgend CC-Regeln) - ins Wanken zu geraten? Die CC-Regeln können gewissermassen als juristisches Rückgrat von Open Access angesehen werden. Sie legen fest, unter welchen Bedingungen die unter Open Access publizierten Texte weiterverwendet werden können.

Vermögen die CC-Regeln das geschmälerte Urheberrecht wettzumachen? Denn obschon besagte Regeln in Bezug auf das Urheberpersönlichkeitsrecht das Recht auf Autorennennung nach Art. 9 Abs. 1 URG (Urheberrechtsgesetz) als unabdingbar stipulieren, begrenzen sich die weiter durch die CC-Regeln ermöglichten Lizenzen darauf, den Autorinnen/Autoren das Recht einzuräumen, darüber zu entscheiden, ob das Werk durch Dritte geändert und/oder, ob es kommerziell verwendet werden darf. Bezüglich des Grundsatzes des Erstveröffentlichungsrechts, wonach die Autorin/der Autor gemäss Art. 9 Ziff. 2 URG das Recht hat, zu bestimmen, ob, wann und wie sowie unter welcher Urheberbezeichnung das Werk erstmals veröffentlicht werden soll, wird das ob, wann und wie durch den Open Access relativiert, sofern nicht der Autor/die Autorin selber darüber entscheiden kann. Allerdings sind immerhin zwei der drei Eckpfeiler des Urheberpersönlichkeitsrechts gewahrt: nämlich das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft sowie das Recht auf Werkintegrität, sofern die Autorin/der Autor bezüglich letzterem die entsprechende CC-Lizenz auch tatsächlich wählt. Diesbezüglich gilt es zu präzisieren, dass das Recht auf Werkintegrität zwar abgetreten werden kann, nicht jedoch das Recht, sich gegen Entstellungen des Werks zu widersetzen, sofern sie die Persönlichkeit verletzten. Was die Vermögensrechte des Autors/der Autorin, mithin die wirtschaftliche Verwendung des Werks anbelangt, so begrenzt sich diese auf die Wahl zwischen einer Lizenz zu kommerzieller oder nicht kommerzieller Nutzung durch Dritte.

Zu erwähnen ist ferner die CC0-Lizenz, bei der die Autorin/der Autor auf alle Rechte verzichtet, das Werk mithin der Gemeinfreiheit übergibt. Diese Lizenz stellt das Urheberrecht selber in Frage. Wer sie anwendet, sollte sich das gut überlegen und die Konsequenzen bedenken.

Wer daher als Autor/Autorin bei den CC-Lizenzen nicht wachsam ist, kann auch noch die wenigen ihm/ihr verbleibenden Rechte verlieren, wenn er/sie dieselben nicht ausdrücklich mittels einer entsprechenden Lizenz stipuliert. Dies und der Umstand, dass die einmal gewählten CC-Lizenzen unwiderrufbar sind, schwächt das Urheberrecht in seiner Schutzfunktion; denn insbesondere durch den Umstand der Unwiderrufbarkeit der CC-Lizenzen kommen diese in ihrer Wirkung faktisch der Preisgabe der absoluten Rechte der Autorin/des Autors gleich, obwohl im Rahmen einer Lizenz lediglich Nutzungsberechtigungen eingeräumt werden. Den CC-Regeln zugute zu halten ist, dass sie die Zitierregeln zwingend vorsehen und somit ein wichtiger Punkt im Bereich wissenschaftlichen Publizierens sichergestellt wird.

Zusammenfassend stellt sich somit die Frage, ob und inwieweit sich die Open Access Community der CC-Lizenzregeln bewusst ist und sie anzuwenden gedenkt und ob diese Regeln überhaupt geeignet sind, die Rechte der Autorin/des Autors genügend abzudecken und insbesondere zu gewährleisten! Vermögen sie Copypaste und ungewolltem Bearbeitungsmix Einhalt zu gebieten oder sind Tür und Tor geöffnet zu einer willkürlichen x-beliebigen Nutzung von Autorenrechten?

2. Besondere Vor- und Nachteile für NachwuchswissenschaftlerInnen

Ein weiterer Aspekt zeigt die problematische Stellung der Autorinnen/Autoren auf: Einerseits besteht das Risiko, dass aufgrund eines von wissenschaftlich orientierten Institutionen auferlegten faktischen Zwangs zu Open Access den betroffenen Autorinnen/Autoren eine zumindest partielle Entrechtung droht. Zudem könnte die Gefahr bestehen, dass der Status von Open Access allenfalls bei späteren Bewerbungs- und Auswahlverfahren für Open Access-Autorinnen und -Autoren als Nachteil gewertet wird.

Andererseits scheint z.B. bei NachwuchswissenschaftlerInnen aber auch ein Bedürfnis zu bestehen, den Open Access Weg einzuschlagen, weil sie damit neben anerkannten Autoritäten publizieren können.

3. Verlage als «Gütesiegel»

Der Raschheit und räumlichen Dimension der Verbreitung steht auch das fehlende Gütesiegel gegenüber, welches die Verlage mit ihrem verlegerischen Know-how, ihrer Marke, die für die Qualität der Inhalte bürgt (zur Markenbildung s.u.) und insbesondere mit der Pflicht, die Rechte des Autors/der Autorin gegen unerlaubte Eingriffe zu schützen (s.u.), gewährleisten. Gerade noch unbekannte Autorinnen/Autoren brauchen die Referenz eines guten und bekannten verlegerischen Namens, um ihr Defizit an Bekanntheit wettzumachen.

Sofern ein Verlag das Verhältnis zu seinen Autorinnen/Autoren ernst nimmt, vermöchte dies solche Schwachstellen, wie sie Open Access in sich birgt, zu vermeiden, denn das Verhältnis Autor/Verlag wird bei Open Access ausgeblendet. Als Gütesigel des Verlags greifen die Qualität der Inhalte einerseits sowie die Abwehrrechte andererseits, die aufgrund der Rechteübertragung beim Verlag liegen. Der Verlag hat das ihm anvertraute absolute Recht treuhänderisch zu verwalten und gegen allfällige Urheberrechtsverletzungen zu schützen. Was die Qualität anbelangt, übernimmt der Verlag die Rolle des Mittlers zwischen Autor, Inhalt und Kunde. Die Frage nach der Qualität der Inhalte ist ausschlaggebend, wenn es darum geht, die Bedürfnisse der Kunden optimal abzudecken.

Der Umstand, dass der SNF das Peer-Review-Verfahren als zentralen Bestandteil der Qualitätssicherung durch die Verlage erachtet, belegt zudem, dass auch Vertreter von Open Access anerkennen, dass die Verlage für Qualität stehen.

4. Die urheberrechtliche Schutzdauer

Das Urheberrecht regelt den urheberrechtlichen Schutz des Werks und legt die Rechte des Autors/der Autorin fest. Das URG schützt das Werk für eine bestimmte Dauer (70 Jahre post mortem auctoris). Erst nach Ablauf dieser Schutzdauer wird das Werk gemeinfrei und bzw. ist es allen frei zugänglich. Indem Open Access den freien Zugang zu Werken statuiert, hat dies noch keine Auswirkungen auf das Urheberrecht. Wenn jedoch eine CC0-Lizenz gewählt wird, bewirkt dies den Wegfall des Schutzrechts und antizipiert so die Beendigung des urheberrechtlichen Schutzes eines Werks (s.o. Ziff. II.1).

5. Die «Processing Charge»

Eine weitere Problematik, die aufzeigt, dass die Stellung des Autors/der Autorin im Zusammenhang mit Open Access dringend einer eingehenden Betrachtung bedarf, um nicht die Gefahr zu laufen, dass das Urheberrecht gänzlich untergraben wird, liegt in der Processing Charge als Finanzierungsmodell. Über diesen Ansatz soll die Autorin/der Autor für die anfallenden Kosten (Qualitätssicherung, Datenaufbereitung, Veröffentlichung usw.) in die Pflicht genommen werden – mithin «dürfen» die Autoren/Autorinnen Open Access mitfinanzieren, ohne dass dabei ihre Rechte berücksichtigt werden. Wird die Autorin/der Autor so zum Spielball von Open Access bzw. einer neuen Art der Wissensvermittlung? Obwohl Open Access darauf abzielt, dass der Autor/die Autorin, wie oben erwähnt, nicht seine/ihre absoluten Rechte abtritt, sondern lediglich Lizenzen, mithin Nutzungsberechtigungen einräumt, bewirkt die Unwiderrufbarkeit dieser Lizenzen (s.o. Ziff. II. 1.) auch unter dem Aspekt der Processing Charge eine nicht zu unterschätzende Einschränkung der Autorenrechte.

Auch dem Verlagsbereich ist die Finanzierung eines Werks durch den Autor nicht unbekannt. Es sind dies die sog. Kommissionswerke, bei denen die Autorinnen und Autoren dem Verlag lediglich die Berechtigung zu Vervielfältigung und Vertrieb des Werks einräumen.

III. Der Verlag als Betroffener

Die das Open Access-System vertretenden Institutionen sind sich durchaus der Bedeutung des verlegerischen Know-hows bewusst und sehen vor, sich dieses nutzbar zu machen. Fragt sich nur, ob dies zum Nutzen oder zum Schaden der Verlage erfolgt.

Was die von Vertretern von Open Access erwähnten Möglichkeiten der Gründung von sogenannten Open Access-Verlagen anbelangt, muss berücksichtigt werden, dass sich solche Institutionen verlegerisches Know-how erst aneignen müssten. Wie Stefan Stöcklin im Beitrag «Open Access ist nicht aufzuhalten» zu Recht feststellt, muss  man sich die Reputation eines wissenschaftlichen Verlags jedoch erst erarbeiten. Aber auch dieser Vorgang setzt verlegerisches Know-how voraus und lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen.

Versucht sich Open Access insbesondere auch im Buchmarkt zu verankern, entsteht eine Konkurrenz zum klassischen Verlag. Ein Open Access-Verlag, mithin ein Verlag ohne Gewinnstreben, bedeutet Drittfinanzierung, was zeigt, dass Open Access nicht um ein Finanzierungsmodell herumkommt. Was der klassische Verlag durch den Verkauf erwirtschaften muss, bedeutet für Open Access Drittfinanzierung. Gleichzeitig stellen solche Modelle auch im Bereich der Markenbildung – mithin einem wesentlichen Merkmal des Verlagswesens – eine Konkurrenz zu den Verlagen dar; denn durch die Stärkung des wissenschaftlichen Profils will auch Open Access seinerseits einer Markenbildung dienen. Als Konkurrenz im Sinne eines Vorsprungs von Open Access im Bereich von Open Access-Verlagen gegenüber den klassischen Verlagen kann ferner die Autorenakquise angesehen werden, die nach wie vor ein wichtiges Thema des Verlagswesens darstellt, da ein direkterer Zugriff von Open Access-Verlagen auf das Autorenpotenzial insbesondere im Universitätsbereich droht. Da kann der klassische Verlag mit Tradition, Qualität und wie bereits erwähnt mit Know-how entgegenhalten.

Im Vergleich zu oben skizzierten Ausführungen, zeigt sich, dass eine Zusammenarbeit zwischen dem Bereich von Open Access mit Verlagen im Sinne einer Verlagskooperation Vorteile mit sich bringen kann, indem Open Access vom verlegerischen Know-how und von der verlegerischen Infrastruktur profitiert. Open Access ohne Miteinbezug der Verlage ist mithin nur bedingt umsetzbar, wobei zu unterstreichen ist, dass der Miteinbezug jedoch ein effektiver sein muss. Es ist positiv zu werten, dass sich die Vertreter von Open Access der Bedeutung der Verlage bewusst sind. Nur, wie können bzw. müssen sich die Verlage einbringen, ohne ihr core business zu gefährden? Inhalte als Open Access einfach unter dem Verlagsnamen zu veröffentlichen, kann zur Markenbildung zwar beitragen und kann auch als Marketing-Tool angesehen werden, löst aber das Problem nicht. Die Tatsache bleibt, dass Open Access zwingend kostenlos sein will und ein Verlag, der neben seinem Verlagsprogramm auch Open Access publiziert, daher mit dem Werbeeffekt und einer allfällig damit einhergehenden Markenbildung zufriedengeben muss. Dabei ist der dadurch erwirkte Zugang des Verlags zum Open Access-Autorenpool als Wissensvermittler bzw. Vermittler von Inhalten ebenso in die Waagschale zu werfen.                          

Da, wie bereits erwähnt, Open Access zu seiner Realisierung auf Drittmittel angewiesen ist, sollte sich der Verlag, der zusätzlich zum klassischen Verlagsprogramm Open Access publiziert, folglich auch einen Teil dieses «Drittmittel-Kuchens» abschneiden können. Dies wäre ein gerechter Ausgleich; denn die Institutionen, welche die Inhalte stellen, profitieren ja gerade von der verlegerischen Infrastruktur und dem Know-how des Verlags, was sich letztlich wiederum positiv auf ihr Profil, ihre «Marke» auswirkt und somit auch ihrer Markenbildung dienlich ist. Für den Verlag entspräche eine solche Lösung dem bereits bestehenden Modell des Kommissionswerks, wie es u.a. für Festschriften und Dissertationen üblich ist. Zu bedenken ist dabei aber, dass eine Drittmittelfinanzierung auch gefangensein bedeuten kann, denn die Gefahr besteht, dass durch Drittfinanzierung von Verlagswerken, z.B. durch den SNF, u.U. auch Grosswerke, Kommentare, Handbücher in die Open Access Falle geraten.

Es fragt sich aber auch, ob es sich die Verlage leisten können, sich von der wissenschaftlichen Diskussion auszuschliessen und sich auf das Publizieren von Praktiker-Literatur zu beschränken. Zu sehr hängt beispielsweise – im Unterschied zu anderen Forschungsbereichen – die Rechtswissenschaft mit der Praxis, mithin der Anwendung der Wissenschaft zusammen, als dass eine solche Trennung sinnvoll wäre. Im Gegenteil, denn die Lehre stellt einen unzertrennlichen Bestandteil der juristischen Literatur und auch der Rechtsprechung dar, die keinesfalls – als Gesamtheit – zu Gunsten von Open Access preisgegeben werden darf. So stellt sich für die Verlage die Frage, welche Bereiche sinnvollerweise dem Open Access zu überlassen sind. In erster Linie sind Dissertationen, Habilitationen und Festschriften zu nennen, die ohnehin drittfinanziert werden. Was eine allfällige Open Access-Veröffentlichung für Dissertationen, Habilitationsschriften oder fachspezifische Zeitschriftenbeiträge u.ä. anbelangt, wäre eine Zusammenarbeit zwischen den Institutionen und den Verlagen u.a. im Hinblick auf die Synergien, die ein Verlag bieten kann, daher sicher sinnvoll und anzustreben.